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Die Jahrhundertausstellung 1906 in Berlin

Die Vorgeschichte der Jahrhundertausstellung

Wann die erste Idee zu einer Jahrhundertausstellung auftauchte, ist nicht eindeutig festzustellen. Sicher ist jedoch, daß im Jahre 1897 der Gedanke gefaßt war, und eine erste Beratung stattfand. Über den Ausstellungsort herrschte noch keine eindeutige Meinung, Berlin als Veranstaltungsort wurde jedoch von Anfang an als möglicher Ort in Betracht gezogen. Als Zeitpunkt wurde das Jahr 1900 in Erwägung gezogen. Als Initiatoren sind Hugo von Tschudi, Alfred Lichtwark und Woldemar von Seidlitz zu nennengif. Die Idee dieser Ausstellung fand grundsätzliche Zustimmung. Die Ausführung scheiterte dann zunächst an verschiedenen Behörden. Die weitere Ausarbeitung der Pläne wurde dadurch verhindert. Ein Umschlagen der Stimmung für dieses Projekt kam mit dem Erfolg der französischen ,, Centennale`` im Jahr 1900. Jedoch erst 1904 kam es zu einer wirklichen Wiederaufnahme der Vorbereitungsarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt gab der Kaiser seine Zustimmung für die Räume der Nationalgalerie. Durch verschiedene Unterstützung von privater Seite nahm das Vorhaben konkretere Konturen an. ,, Um die Ausstellungsarbeiten haben sich die Herren Charles Förster, Dr. Joseph Kern, Konrad Müller-Kaboth, Dr.Ludwig Schnorr von Carolsfeld, sowie Herr Julius Meier-Graefegif, der schon vor Beginn der Arbeiten sich mit dem Gedanken einer Jahrhundertausstellung beschäftigt und zu der raschen Verwirklichung des Unternehmens beigetragen hatte, verdient gemacht``gif. Daß Meier-Graefe bei der Organisation der Ausstellung ein nicht unwesentliche Rolle spielte kann einem Artikel Lichtwarks entnommen werden: ,, Als Julius Meier-Graefe, von Paris zurückgekehrt, mit der Anregung auftrat, nach Muster der französischen Zentennale eine deutsche zu veranstalten, war die Entwicklung schon so weit vorgeschritten, daß es nur dieses äußeren Anstßes bedurfte, um den Stein wieder ins Rollen zu bringen.``gif.
Im Sommer und Herbst 1905 wird die Auswahl der auszustellenden Werke getroffen. Dabei werden von den einzelnen Initiatoren bestimmte Gebiete und Länder abgereistgif, um die Werke nach Berlin zu bringen. Da die Kosten stark anstiegen, war man auf private finanzielle Unterstüzung angewiesen, die durch teilweise private Verbindungen immer wieder gewonnen werden konnte. Die Ausstellung wird dann am 24.Januar 1906 in der Königlichen Nationalgalerie in Berlin eröffnetgif. Durch diese Ausstellung, so eine Intention der Austellungsmacher, sollte ein Jahrhundert deutscher Kunst der öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden und eine kritische Auseinandersetzung mit derselben eingeleitet werden. ,, Eine Deutsche Jahrhundertausstellung ist in der Nationalgalerie in Berlin veranstaltet worden, um eine Übersicht über die deutsche Kunst vom Ende der Rokokozeit bis zum Anfang des Impressionismus, also etwa von 1775 bis 1875 zu geben und so zu zeigen, daß auch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts bei uns Hervorragendes geleistet worden ist.``gif.

Die Jahrhundertausstellung im Spiegel der Presse unter Berücksichtigung der Düsseldorfer Malerschule

Das Echo, welches die Jahrhundertausstellung in der Presse hervorrief, war nicht so umfangreich, wie es angesichts der Größe des Unternehmens anzunehmen wäre. Die Tageszeitungen berichteten teilweise gar nicht und nur wenige der in die Betrachtung einbezogenen Zeitschriften widmeten sich umfangreicher des Themas. Umfangreichere Artikel erschienen in ,, Die Neue Rundschau``, ,, Deutsche Rundschau``, ,, Die Gegenwart``, ,, Die Woche``und im ,, Der Kunstwart``.

Die in der Zeitschrift ,, Die Gegenwart`` erschienenen Artikelgif von Julius Norden schwanken in Haltung zwischen zustimmend und ablehnend. Norden bemängelt vor allem, daß bestimmte für die Kunst in Deutschland im 19.Jahrhundert so wichtige Gattungen wie die Monumentalmalerei oder Geschichtsmalerei so wenig Beachtung gefunden haben. ,, Gleich die , Die Nazarener` und die in den ersten vier Jahrzehnten so wichtige Entwicklung der Monumentalmalerei haben ebenso auffallend wenig Beachtung gefunden, wie die ältere Düsseldorfer und Münchener, romantische und Genremalerei, wie die Geschichtsmalerei der Wilhelm von Kaulbach, Beneventura Genelli, Friedrich Geselschap u.a., die überhaupt nicht vertreten sind, ganz ebenso wenig wie Karl Piloty und seine Schule, oder wie die Norddeutsche, d.h. die Berliner und Düsseldorfer Schlachtenmalerei.`` gif Direkt zur Düsseldorfer Malerschule schreibt Norden fast nichts. Er erwähnt nur ein einziges Mal Bendemann und Hübner und äußert sich positiv über deren Malerei, verbunden mit der Bemerkung, daß beide doch gut auf der Ausstellung vertreten seien.

Hugo von Tschudi als einer der wesentlichen Ausstellungsorganisatoren veröffentlichte seinen Einführungstexte aus dem Ausstellungskatalog als Artikel in der Zeitschrift ,, Die Neue Rundschau`` unter dem Titel ,, Die Jahrhundertausstellung``. In diesem Artikel bespricht er umfangreich die Düsseldorfer Malerschule, versucht Entwicklungslinien und Einflüsse deutlichzumachen. Einzelne Maler werden hervorgehoben und qualitativ bewertet. ,, Eine Reihe tüchtiger Künstler ging aus der Schule Schadows hervor. Julius Hübner hat in seiner Jugend einige gute Bildnisse aus seiner Familie und in demjenigen des Stadtrats David Friedländer (von 1833) ein Meisterwerk lebensvoller Naturwiedergabe geschaffen. Von den Genremalern war der witzig charakterisierende Hasenclever mit dem ersten Entwurf zu seinem , Jobs beim Examen` und dem Lesekabinett vertreten, in dem er ein Beleuchtungsproblem etwas nüchtern löst, Schrödter mit einer der Varianten seines Don Quichote und Hosemann, der später seine Tätigkeit nach Berlin verlegte, mit einigen Schilderungen aus dem Leben der Spießer, über deren aufdringlichen Humor aber nicht wie bei Spitzweg die Schönheit der Malerei hinweghilft.`` Betrachtet man dieses Zitat, wird anhand des gewählten Tones recht deutlich, daß man von Seiten des Ausstellungskommitees nicht allein künstlerische Qualität aus dem Sichtpunkt des beginnenden 20.Jahrhunderts allein zum Kriterium der Auswahl machte, sondern, daß es das Ansinnen der Veranstalter war, einen möglichst guten Überblick über alle Strömungen im 19.Jahrhundert zu geben. Der kritische Blick, den Tschudi in diesen ersten Zeilen zur Düsseldorfer Malerschule hat, setzt sich durch alle weiteren Passagen zum Thema fort. ,, Diesem weinfrohen Kleeblatt gesellt sich Wilhelm Sohn mit einer altdeutsch kostümierten , Gewissensfrage ` von leidvollstem Ausdruck. Es ist interessant, zu sehen, wie er diesen erregten Frauentypus mit den weit aufgerissenen Augen auf seinen Schüler Eduard von Gebhardt vererbt, der freilich ein Künstler von anderen Wuchs ist, mit seinen besten Werken aber schon jenseits der Grenze der Jahrhundertausstellung steht. Die Landschaft der beiden Achenbach boten ebensowenig Überraschungen wie diejenigen Lessings und Schirmers (unter denen sich gute Naturstudien befanden) oder die Genrebilder Vautiers. Wohltätig fielen die Porträts von Leutze auf, die ein angenehmes diskretes Kolorit und eine nicht gewöhnliche Chrakterisierung zeigen.`` gif


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Christian Guenther
Sonntag, 19. November 1995, 14:25 Uhr MEZ