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Die Karikatur zwischen 1800 und 1848

Die deutsche Karikatur zwischen 1800 und 1848 war, bedingt durch die starke Zensur, nur in zwei kurzen Zeitspannen, von etwa 1800-1819 und im Jahr 1848 kann man von einer lockeren Handhabung der Zensur sprechengif, nicht so radikal politisch, wie es in den Nachbarländern, allen voran Frankreich, zu beobachten war. Sieht man, daß es dort Karikaturisten vom Schlage eines Honoré Daumier, Paul Garvarni, Henry Monnier oder Gustav Doré gab, dann erscheint das, was in Deutschland produziert wurde eher bieder. Die beißende Kritik, die in Frankreich erreicht wurde, kam in Deutschland, wenn man wenige Ausnahmen außerhalb der Betrachtung läßt, nie zum Zuge. Qualitativ kann sie ebenfalls nicht an der ausländischen gemessen werden. Sie war meist von Details überfüllt und nicht durch einfache Themenführung und Reduzierung auf das Wesentliche auf den Punkt gebracht.

Durch den Mord auf Kotzebue durch den Studenten Sand im Jahre 1819 wurde der Anlaß gegeben, die Karlsbader Beschlüsse durchzusetzen und damit die Zensur in verstärktem Maße einzuführen. Dies hatte zur Folge, daß die politische Karikatur in Deutschland fast auf den Nullpunkt zurückgedrängt wurde. Der Bürger zog sich mehr und mehr in sich selbst zurück und richtete sein Augenmerk auf anderen Themen. ,, Wirtschaftlich eingeengt, durch Kleinstaatlerei jeden weiten Blickes benommen, durcch Zollschranken an jeder Straße aufgehalten, ward selbst der geistig höchstehende Teil des Volkes von einer ernsthaften Beschäftigung mit der Politik ferngehalten und des Einflusses auf die Gestaltung der öffentlichen Einrichtungen beraubt. In einem überreizten und übertriebenen Interesse für das Theater fand das Bürgertum den fast einzigen Ersatz.``gif Ergänzend kann man die Themen Mode, Literatur, die in engem Zusammenhang mit dem Theater steht, und gesellschaftlichen Klatsch hinzunehmen. Die Karikatur nahm diese Themen in verstärktem Maße auf, da eines der bevorzugten Themen, die Politik, nicht mehr nutzbar waren. Trotzdem wurden vermehrt Karikaturen geschaffen und in Umlauf gebracht. Die in der Einleitung erwähnten neuen technischen Möglichkeiten taten ihr übriges. Es wurde dadurch möglich, das Leben karikativ zu begleiten, da die Herstellungszeit einer Karikatur sich stark verkürzte. Man ist geneigt, nun anzunehmen, daß die Politik keinerlei Rolle im Leben der Bürger spielte. Dies ist nicht so, denn das Bewußtsein für politischen Vorgänge blieb durchaus erhalten und unterschwellig war zu spüren, daß man auf eine bessere Zeit hoffte. Der Mangel an politischer Öffentlichkeit wurde durchaus empfunden. Es wurden auch weiterhin politische Karikaturen produziert, jedoch in Bücherstuben unter dem Ladentisch verkauft. Die ,, Ersatzthemen`` erfuhren in dieser Zeit einen starken Aufschwung.

Die Zensur zu umgehen war eine der Bestrebungen auf den Seiten der Schaffenden. Obwohl es in allen deutschen Ländern Zensurvorschriften gab, wurde, wenn es gegen ein deutsches Land ging, mit welchem man Schwierigkeiten hatte, schon einmal die Zensur dazu angehalten über bestimmte Dinge hinwegzusehen. Es war durchaus üblich, daß in Sachsen oder Hessen Karikaturen, die sich gegen Preußen richteten, in der Zensur sehr schonend behandelt wurden. Diesen Umstand nutzend, kam es zu einer Art ,, Karikaturexport``.

Die Publikationsorgane, in denen Karikaturen sehr häufig veröffentlicht wurden, waren die Zeitschriften, die als reine Karikaturzeitschriften erst in den frühen 40er Jahren gegründet wurden. Die erste dieser Sorte in Deutschland waren die ,, Fliegenden Blätter``, die in München produziert wurden. Diese war in ihrem Inhalt sehr gemäßigt und bald schon eher harmlos. Sie machten die Sorgen und Nöte des ,, Spießbürgers`` zum Thema und belegten es durch die Art der Behandlung mit einer etwas künstlichen Erhöhung scheinbar in den Rang des politischen Lebens. Dadurch erfreute sich diese Zeitschrift schnell eine große Popularität. Bedenkt man, daß bereits 1830 ,, La Caricature``, 1832 ,, Le Charvaré`` in Paris und 1841 der ,, Punch`` in London gegründet wurde, dann sind die ,, Fliegenden Blätter`` eine vergleichweise späte Gründung. Nach der Revolution 1848/49 in Deutschland kamen durch die Aufhebung der Zensur eine ganze Reihe neuer Zeitschriften auf den Markt, die sich fast ausschließlich der Karikatur und der Glosse widmeten. Es trat eine Radikalisierung der Satire ein, die ihr Augenmerk hauptsächlich auf die Bestrebungen der Reaktion legte. Der ,, Kladderadatsch`` oder der ,, Berliner Krakeler``\ von Ernst Litfaß drückten schon durch den Titel ihren Inhalt und Bestreben aus. Das ,, Berliner Großmaul`` versuchte es ihnen gleichzutun. Weitere Zeitschriften waren ,, Feuerbrände`` und ,, Ewige Lampe``. Weniger beliebt waren Glaßbrenners ,, Freie Blätter``, da sie versuchten, nicht der allgemeinen Euphorie und in kritischen Situationen der allgemeinen Panik nachzugeben. Man versuchte eine objektivere, ausgereiftere Linie zu vertreten. Von all diesen Zeitschriften blieb nach dem Wiedererstarken der Reaktion nur der ,, Kladdaradatsch`` bestehen. Diese Zeitschrift hatte sich in der Zeit der Revolution durch Beziehungen zur Polizei eine Grundlage für das Weiterbestehen geschaffen. Sie hielt sich nach der Revolution mit linksliberaler Haltung und Kritik an der Regierung zurück und schwenkte dann 1866 vollends in die Bismarck-Linie ein.

Eine weitere Art zur Veröffentlichung waren die von Verlagen gedruckten satirischen Folgen. Hier wurden ähnliche Themen verarbeitet, wie sie auch in den Zeitschriften auftraten. Bekannte Graphiker wie Theodor Hosemann oder Franz Burckard Doerbeck schufen graphische Folgen, die auch heute noch ein wenig den Geist der Biedermeierzeit aufleben lassen.


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Christian Guenther
Sonntag, 19. November 1995, 14:8 Uhr MEZ