next up previous index
Next: Literaturverzeichnis Up: No Title Previous: Die Kataloge zur

Schluß

,, Vergessene Maler wie Caspar David Friedrich wurden ans Licht geholt und in den Vordergrund gerückt, andere, noch eine Genereation zuvor hochgeschätzte Künstler wie Wilhelm von Kaulbach und Carl von Piloty berücksichtigte man dagegen nur noch beiläufig. Die einst so erfolgreiche gründerzeitliche Salonmalerei wurde geächtet.``

Helmut Börsch-Supangif

Die ,, Ausstellung Deutscher Kunst von 1775-1875`` war eine der bedeutendsten kunsthistorischen Ausstellungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihr Thema war die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts. Sie kann in ihrer Bedeutung für die Kunstgeschichtsschreibung über diese Zeit nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Die Intentionen der Aussteller, eine Neubewertung einzuleiten und so die Sicht auf diese Epoche zu verändern, waren aus damaliger und heutiger Sicht erfolgreich. Die Schwer- und Höhepunkte dieser Ausstellung sind in den meisten Fällen bis in die Gegenwart gültig. Einen wesentlichen Beitrag dazu hat die Tatsache geleistet, daß es sich bei den Organisatoren nicht um Künstler handelte, sondern mit Alfred Lichtwark, Hugo von Tschudi und Woldemar von Seidlitz um Museumsleiter, die durch eine kunsthistorische Herangehensweise das bisher fragmentarisch vorhandenen Wissen zu einem Bild verbanden, das einen hervorragenden Überblick über die Kunst dieser Zeit bot. Dieser Überblick wurde bis heute in diesem Umfang von über 3000 Objekten nicht wieder erreicht. Das Bewertungskriterium für die Auswahl der Werke war nicht mehr der Inhalt, sondern die malerische Qualität. Die Ausstellung versuchte eine Entwicklungslinie für die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts nachzuziehen, die von einem Ringen um das Malerische geprägt war.

Dazu wurden vor allem die bisher Unbekannten und Verkannten herangezogen, die den Qualitätsmaßstäben der Organisatoren entsprachen. Sie wurden zum Mittelpunkt der Ausstellung, um damit ihre Bedeutung für die deutsche Kunst dieser Zeit hervorzuheben. Dies führte zu Neu- und Wiederentdeckungen, wie der Kunst Caspar David Friedrichs oder Friedrich Wasmanns. Der bis dahin völlig unbekannte Ferdinand von Rayski fand erstmalig bei einem breiteren Publikum Beachtung. Städte wie Berlin, Düsseldorf und Hamburg erfuhren als künstlerische Zentren eine erneute oder erstmalige Wertschätzung. München wurde nicht als die Stadt gezeigt, in der Peter Cornelius wirkte, sondern als eine Stadt, die Künstler wie Wilhelm von Kobell, Carl Spitzweg oder Wilhelm Leibl hervorgebracht hatte.

Der Aufbau der Ausstellung in der Nationalgalerie führte zeitlich von den älteren Werken im oberen Stockwerk zu den jüngeren in der untersten Etage. Ausschlaggebend für die Anordnung war jedoch das Hervorheben einzelner Schulen, künstlerischer Zentren oder einzelner Künstler. Teilweise wurde das künstlerische Schaffen eines Künstlers in einem oder mehreren Räumen gezeigt. Hier sind Karl Blechen, Caspar David Friedrich, Anselm Feuerbach oder Wilhelm Leibl zu nennen. Auf dem Gebiet der Plastik wurde mit 33 Werken der Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow gewürdigt und damit wieder in den Blickpunkt kunsthistorischer Betrachtung gestellt.

Im Neuen Museum wurden die Zeichnungen als integraler Bestandteil der Jahrhundertausstellung präsentiert. Die große Anzahl von über 1200 Zeichnungen und Skizzen betonte die Auffassung der Organisatoren, diese als eigenständige Kunstwerke zu betrachten und zur Bewertung des jeweiligen Künstlers mit heranzuziehen. Diese Auffasung trifft sich mit den Worten von Rudolf Klein: ,, In den Handzeichnungen blättern wir gewissermaßen wie in einem Tagebuche, seine Äußerungen sind unbestechlich, sie machen uns nichts vor`` .gif

In den Zeitschriftenartikeln, die zur Jahrhundertausstellung erschienen, kam das Gefühl zum Ausdruck, einen Teil der deutschen Kunst vorgeführt bekommen zu haben, den man bisher zu Unrecht vernachlässigt hatte. Immer wieder tauchte die aktuelle Frage nach dem Einfluß der französischen Kunst auf. Die Ausstellung, so der Tenor der Rezensionen, zeige, daß die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts unabhängig von der französischen Kunst sei. Daneben gab es aber auch Stimmen, die betonten, daß man die Entwicklung in Deutschland nicht völlig unabhängig von Frankreich sehen könne.

Eine Folge der Jahrhundertausstellung ist das einsetzende oder sich wieder verstärkende Interesse der Museen und privaten Sammler an der Kunst dieser Zeit. Zahlreiche Museen kauften Werke aus der Ausstellung. Weitere Ankäufe rekrutierten sich aus weiteren, sich in Privatbesitz befindlichen Beständen. Die in der Ausstellung gezeigte Kunst wurde fester Bestandteil der Ankaufspolitik von Museen und Privatsammlern. Damit einher ging eine verstärkte Publikationstätigkeit. Das Interesse an der kunsthistorischen Betrachtung dieser Kunst wurde geweckt oder erhielt in einzelnen Fällen ein wirkungsvolles Forum. In der Folgezeit erschienen Aufsätze und Schriften, die sich mit den wieder- oder neuentdeckten Künstlern beschäftigten und sie einer genaueren kunsthistorischen Betrachtung unterzogen.

Die Jahrhundertausstellung fand in Übersichts- und Einzeldarstellungen zur deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts bis heute immer wieder eine Erwähnung oder Würdigung, die die Bedeutung dieser Veranstaltung für die Kunstgeschichte, die sich mit dieser Zeit beschäftigt, hervorhebt. Diese Magisterarbeit gibt einen ersten Überblick über Konzeption, Aufbau und Rezeption.



next up previous index
Next: Literaturverzeichnis Up: No Title Previous: Die Kataloge zur



Christian Guenther
Fri Aug 22 13:11:17 MET DST 1997