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Themen der Karikatur

Wie bereits mehrmals betont gab es neben der politischen Karikatur viele andere Themen, die in die Karikatur mehr oder weniger Eingang fanden. Mode, Erotik, Theater oder Literatur waren zeitweise in Übermaß vertreten. Obwohl nach 1819 die politische Karikatur nahezu niederlag, so war sie doch immer bis zum Ende des hier betrachteten Zeitraum 1848/49 vorhanden.

Die politische Karikatur hatte bis 1815 eigentlich ein Hauptthema: das Verhältnis zu Napoleon I. Eine anonyme Karikatur aus dem Jahre 1814 zeigt Napoleon I im Profil. Der Hut Napoleons ist als Adler umgeformt. Das Gesicht ist aus menschlichen Gestalten zusammengesetzt. Der Korpus ist als Landkarte gestaltet, welche Europa zeigt. Eine Hand, die das Schulterstück darstellt, spinnt ein Netz über die Landkarte. Unterschrieben ist diese Grafik mit dem Titel ,, Wahre Abbildung des Eroberers``. Dieser Titel beschreibt in sich die Gedanken des Künstlers und drückt damit auch das Denken vieler Deutscher aus. Napoleon I als der habgierige Geier, der über Leichen geht, um seine Wünsche nach Macht zu befriedigen und seine Fäden zu spinnen. Ein weiterer Karikaturist, Johann Gottfried Schadow, der in der heutigen Zeit eher durch seine klassizistischen Plastiken bekannt ist, macht den Sieg Blüchers über Napoleon zum Angelpunkt seiner Karikatur. Es ist interessant zu sehen, daß nicht nur Ferdinand Krüger, sondern viele andere die Karikatur zum Broterwerb benutzten. Unter dem Titel ,, Der Zweikampf`` spottet er über die in seinen Augen traurige Gestalt Napoleons, die einem kräftigen, durch seine Gestalt Napoleon weit überlegenen Blücher gegenübersteht. Auch die Vertreter des kämpfenden Heeres stellen nichts weiter als einen diametralen Gegensatz dar, der den Betrachter durchaus zum Schmunzeln, wenn nicht zum Lachen animiert haben muß.

Trotzdem es in Deutschland bis 1815 unzählige politische Karikaturen gegeben hat, besaß man keinen eigenständigen, sich durch Eigenheiten auszeichnenden Stil. Es war vor allem die Unterdrückung durch Napoleon, die eine eigenständige Entwicklung verhinderte und die graphischen Künste darnieder drückte. Man behalf sich, ob der fehlenden Intuition damit, vor allem englische und französische Karikaturen entweder direkt zu kopieren, oder sie in leicht abgewandelter Form zu benutzen. Pate standen unter anderen die englischen Künstler Gillray oder Rowlandson.gif Die besten deutschen Karikaturisten dieser Zeit waren dabei, betrachtet man den gesamten deutschen Raum, der oben genannte Johann Gottfries Schadow und in Schwaben Johann Voltz. Die für den Berliner Raum so wichtigen Künstler Th.Hosemann, F.Krüger oder F.B.Doerbeck reichten an diese nicht heran. Von Voltz gab es in direkter Reaktion auf die Pressezensur eine Grafik mit dem Titel ,, Die Pressefreiheit um 1819``. Die Pressefreiheit ist symbolisch als ältere Dame gezeichnet, die an den Händen und Flügeln mit Bändern gefesselt ist. Zusätzlich trägt sie an den Füßen eiserne Fesseln. Eine weitere Antwort auf die Karlsbader Beschlüsse ist eine anonyme Karikatur von 1820. Der Titel ist ,, Club der Denker``. Um einen Tisch sitzen eine Anzahl von Männern, die einen Maulkorb über dem Gesicht tragen. Neben den Satzungen des Clubs hängt an der Wand die zu diskutierende Frage des Abends:,, Wie lange möchte uns das Denken wohl noch erlaubt bleiben``. Alle diese politischen Grafiken kann man als Indiz dafür betrachten, daß auch nach den Karlsbader Beschlüssen in den Köpfen der denkenden Deutschen, obwohl es sich mit wahrer Inbrunst auf die kulturellen Themen stürzte, immer ein Bewußtsein für die politische Situation gab.

Das Theater, die Mode, das gesellschaftliche Leben waren nun ausschlaggebend. Die Karikatur entsinnt sich auf dieses Interesse für die darstellenden und bildenden Künste und den dazugehörigen Künstlern. Wahre Kulte wurden um einzelne Tänzerinnen oder Sängerinnen getrieben. Eine kleine Zeichnung zeigt einen Blumentopf, aus dem sich mit vielen Ranken eine Pflanze erhebt. Die Blüte stellt eine junge Frau dar, die als Sängerin bekannt ist. Die Unterschrift lautet: ,, Die jüngste Blüte der Verehrung``. In der Mode wurde Wert auf das kleinste Detail gelegt. ,, Es gab im 19.Jahrhundert in Deutschland wohl keine Zeit, die dem geringsten Detail der stofflichen Hülle des Menschen eine solche Aufmerksamkeit schenkte, so viel zu pedantischen Modespielereien Muße fand, wie jene der dreißiger und vierziger Jahre, zum ersten Tyrannen bildete sich die Mode aus.``gif Diese Tendenz wurde mit spitzem Stift und wachem Auge verfolgt. Eine Unmenge Karikaturen zu diesem Thema entstanden. Beliebtes Publikationsorgan waren beispielsweise die ,, Fliegenden Blätter``. Ein Beispiel für diese Art Karikatur sei hier gebracht. In einem nach dem Hintergrund zu urteilenden vornehmen Stadtteil treffen sich zwei Herren und eine Dame. Die Dame steht zwischen beiden Herren, die in ihrer Art zwei entgegengesetzte Typen darstellen. Ihre Kleidung ist in den Grundformen gleich, jedoch sind die Details in Muster und Größe einzelner Kleidungsteile unterschiedlich. Während der eine Herr einen kleinen Kragen hat, hat der Mantel des anderen einen großen Kragen. Einmal sind die Beinkleider klein- und einmal großkariert. Eine große Anzahl von Details unterscheidet sie voneinander. Im Grunde sind sie jedoch gleich angezogen. Beide schauen sich herablassend an. Die Bildunterschrift lautet: ,, Mein Herr! Ich kleide mich nach der letzten Mode, Sie nach der vorletzten, ich dulde daher keine Zurücksetzung.``\ Sehr beliebt war es statt Menschen Tiere zur Charakterisierung zu verwenden. Oft findet man den Hahn als Synonym für den Hagestolz.

Was die Berliner Karikatur von der der übrigen deutschen Länder unterschied, war, daß sie den Stempel der Zeit am frechsten auf der Stirn trug und eine gewisse Lust am Gemeinen besaß. Die Freude an der Schlüpfrigkeit, die nebenbei bemerkt nicht nur Merkmal der Berliner Karikatur war, die ausgesprochene Zote nahm mehr und mehr zu und stellte ein weiteres großes Gebiet dar. Die Sinnlichkeit fand nicht Ausdruck in der pikanten Note, sondern war eher von grober Art. Frauen stellten in diesen Blättern bei allen Gelegenheiten etwas nacktes Fleisch zur Schau. Beim Laufen auf dem Eis fiel man gern und schob den Rock schon einmal bis zum Strumpfband hoch. Nicht etwa Scham zeigte sich in den Gesichtern, es war eher ein Freude am primitiveren Sexus. Die Lüsternheit kam in den meisten dieser Grafiken als primäres Moment zum Ausdruck.


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Christian Guenther
Sonntag, 19. November 1995, 14:8 Uhr MEZ