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Die nationalen Befreiungskriege von 1813, die zur Befreiung Deutschlands von der napoleonischen Herrschaft führten, verstärkten das sich seit dem 18.Jahrhundert entwickelnde nationale Bewußtsein und führten zu einem Aufschwung des Interesses für die nationale Tradition und Geschichte. Das Interesse für Geschichte mündet unter anderem in die Begründung der historischen wissenschaften. Die Welt wird als Geschichte, als Ergebnis vergangener Epochen verstanden. Um zur persönlichen und kollektiven Identität zu gelangen wird Geschichte notwendig und mit ihr sind neue Wertungen und Normen verbunden. Der Rückgriff auf die Geschichte begründet die Norm des politischen und gesellschaftlichen Handelns.
Die Orientierung an der Geschichte findet seinen Ausdruck im wesentlichen in
zwei Tendenzen, der romantischen und idealistischen Auffassung von Historie.
Die romantische Geschichtsauffassung orientiert sich dabei hauptsächlich am
positiv gesehenen Mittelalter und entdeckt dieses für sich als eine heile
Welt, an der der Wechsel der Generationen, die kollektive Identität
interessiert. Das Volk rückt in das Zentrum der Geschichte. Es entwickelt sich
ein nationales Bewußtsein. Man sah ,, das Kaisertum vollkommener als in der
unmittelbaren Vergangenheit der Jahre vor 1806 in jenem fernen Schwäbischen
Zeitalter verkörpert, dem auch die Minnelieder und Epen der ritterlichen
Kultur enstammten: in der Stauferzeit.``
Die idealistische Geschichtsauffassung hat ihren Hauptvertreter in Hegel. Er
sah die Weltgeschichte als eine Abfolge von Ereignissen oder Phänomenen, die
auf Zusammenhängen zwischen Institutionen und Handlungen beruhen. Er gibt
jedem Zeitalter eine logische Berechtigung. Eine Bewertung von Zeitaltern,
Verherrlichung oder Verdammung, wie beispielsweise eine romantische Verklärung
des Mittelalter, fallen damit weg.
In den Jahren nach 1815, bedingt durch die sich verstärkt entwickelnde
Auffassung, sich als eine einheitliche deutsche Nation zu verstehen, wurde die
Frage nach einem nationalen Baustil als Ausdruck eigener Identität verstärkt
aufgeworfen und diskutiert. Wie weit der Sieg in den Befreiungskriegen als
Beginn einer neuen Epoche sowohl in politischer, als auch in künstlerischer
Hinsicht verstanden wurde, mag ein Zitat aus der Deutschen Bauzeitung aus dem
Jahr 1843 belegen: ,, Die Kunstepoche, welcher wir unser Leben einflechten,
meine Herren, beginnt mit dem Rausche der Siegesfreude: sie beginnt mit der
Wiedergeburt unserer Nation.`` Entwürfe für neu zu errichtende Bauten
rezipierten Baustile der Vergangenheit und kombinierten sie teilweise in
einzelnen Bauwerken. In Architekturzeitungen, die nach 1830 erschienen
(Deutsche Bauzeitung oder Allgemeine Bauzeitung) ist diese umfangreiche
Diskussion genau zu verfolgen. Man kann bis 1850 im wesentlichen zwei sich
gegenüberstehende Lager beobachten. Auf der einen Seite gibt es die Anhänger
des Architravbaues, bzw. des Klassizismus, der in der Tradition des
18.Jahrhunderts steht. Auf der anderen Seite finden wir die Vertreter des ,,
Mittelalterstils`` , die sich gegen die Anwendung des aus der Antike
entlehnten Architravbaues aussprechen. Dabei werden sowohl praktische, als auch
religiöse Argumente ins Feld geführt. Der Architravbau ist ein heidnischer
Stil, der abzulehnen sei, da er dem deutschen Wesen nicht entspricht. Der
gotische Stil, so führt man an, ist vom christlichen Geist geprägt, also
angemessen. Außerdem sei es auch eine Frage des Baumaterials, denn der
Architravbau benötigte Haustein und dieser ist in Deutschland in verwendbarer
Form wenig vorhanden. Deshalb ist dem Ziegelbau der Vorzug zu geben.
Backstein wurde durch Karl Friedrich Schinkel 1817 mit dem Bau der
Militäranstalt und Kaserne der Lehrescadron in Berlin zum ersten Mal wieder
zur Anwendung gebracht. Dabei kann man nicht davon ausgehen, daß sich die
Anwendung des Backsteins auf die alleinige Rezeption von deutschen
Backsteinbauten des Mittelalters zurückführen läßt. Die MArienburg, die in
diesen Jahren restauriert werden sollte, kannte Schinkel, obwohl er an diesem
Vorhaben beteiligt war, nur aus Zeichnungen. Besonders hervorzuheben ist dabei
das Tafelwerk seines Lehrers Friedirch Gilly. Entscheidende
Anregungen hatte Schinkel wohl schon 1805 bei seinem Aufenthalt in Italien
bekommen: ,, Ferrara und Bologna; sie haben etwas für uns sehr Anwendbares,
was ebensosehr der Solidität unserer Gebäude, als ihrer Schönheit Vortheil
bringen würde; das ist der Bau mit gebrannten Ziegeln``
.
Der Bau der Militäranstalt fällt durch seine blockhafte Gestaltung auf,
gegliedert durch die Sockelzone, die aufstrebenden Lisenen und den einfach
gemauerten Fries. Auf Schmuck wird fast völlig verzeichtet, nur die Sockelzone
wird durch ein profiliertes Band aus anderem Material
abgeschlossen. Die durch die
helle Ausfugung bedingte Betonung der einzelnen Ziegel wird durch die exakte
Mauerung der großen Flächen wieder zurückgenommen. Trotz des relativ weit
ausladenen und auf einem Krangesims ruhenden Walmdaches, wird durch das
ausgewogene Verhältnis von Tragen und Lasten ein klar strukturierter Bau
erzeugt. Die relativ niedrigen Kosten der Herstellung von einheitlichen Ziegeln
bedingten wahrscheinlich auch die Entscheidung für dieses Material, da für
die Errichtung des Gebäudes die Auflage bestand, es mit möglichst geringem
finanziellen Aufwand auszuführen.
Neben diesem ersten Backsteinbau entstanden 1825-27 der Leuchturm für Kap Arkona, der eine auffalende Ähnlichkeit mit dem Bau von 1817 zeigt, und 1829-32 das Magazingebäude für den Packhof auf der Museumsinsel. Mit diesen beiden weiteren Bauten begann sich Backstein als Baumaterial zu etablieren.
Alle drei Bauten können dem Backsteinrohbau zugeordnet werden. Im Gegensatz
zur Entwicklung des Terrakottabaues, der schon mit Schinkels Bauakademie
anzusetzen ist, ist die Größe des Ziegelsteins maßgeblich für die
Gestaltung der Fassade und deren Schmuck. ,, Alle Verzierungen sind mit dem
Backstein selbst zu leisten oder von ihm abzuleiten. Statt weit ausladender
gesimse gibt es daher behutsam vortretende Backsteinschichten; statt
aufwendiger Friese beleben Zahnschnitt, Roll- oder Sägeschichten die Fläche;
die Fassaden bleiben flächig und setzen sich aus kleinen Elementen zusammen.
Als Vorbild dienten die zahlreich erhaltenen Bauten der märkischen und der
nordosteuropäischen Backsteingotik, deren Erfassung und Erforschung im
19.Jahrhundert sich neben anderen Ferdinand von Quast, der erste preußische
Konservator, oder Friedrich Adler widmeten.``
Eine der bedeutendsten Schriften um die Frage des nationalen Baustils ist 1828 von Heinrich Hübsch mit dem Titel ,, In welchem Style sollen wir bauen`` verfaßt worden. Hübsch wendet sich in dieser Schrift gegen seinen Lehrer Friedrich Weinbrenner und verficht die Auffassung, daß es in der Architektur keine Art von eklektischer Bauweise geben dürfe. Es müsse, so Hübsch, materialgerecht gebaut werden. Unter diesem materialgerechten Bauen verstand er beispielsweise, daß das Bewerfen aus Ziegeln bestehender Mauern mit Putz zu unterlassen sei und statt dessen der Ziegel in seiner eigenen farblichen und ästhetischen Wirkung verwendet werden solle. Obwohl der Titel dieser Schrift die Assoziation hervorruft, Hübsch wollte mit ihr seine Ratlosigkeit in Fragen des zu verwendenden Stils zum Ausdruck bringen, eine Auffassung, die sich bei verschiedenen Autoren bis heute gehalten hat, ist ihr Inhalt jedoch die klare Entwicklung eines Stilprinzips, welches sich aus dem Baumaterial, der zeitgenössischen bautechnischen Entwicklung und der Bestimmung des Gebäudes ergibt.
Die Forderung nach materialgerechtem Bauen fand in zahlreichen Backsteinbauten, die den Ziegel zur Fassadengestaltung nutzten, eine Anwendung. Schinkels Bauakademie von 1832-1836 setzt ihn wieder in nach außen sichtbarer Form ein. Der viergeschossige Bau wirkt in seiner Gestaltung durch die vertikalen vom Boden bis zum Dachgesims geführten, einfach gemauerten Pilaster und den die Geschosse abschließenden horizontalen Gesimse. In dieses konstruktive Gerüst werden glatt gemauerte Wände gesetzt, welche die dreiteiligen Fenster mit Segmentbogengiebel umgeben. Interessant ist hier, daß neben Terrakottaelementen zwei verschiedene Arten von Backstein zur dekorativen Gestaltung der Fassade verwendet wird. Dadurch entsteht eine Rhythmisierung der Fläche. Schließt man sich der oben genannten Definition für den Ziegelrohbau an, so kann man die Bauakademie diesem Bautypus nicht mehr zuordnen. Dennoch ist es der Backstein als Ziegel, der die Fassade der Bauakademie bestimmt. Terrakotta wird nur als dekoratives Element in den Segmentbogengiebeln und unter den Fensterbänken des ersten und zweiten Obergeschosses, sowie im Dachgesims verwendet.
Nach diesen ersten Ansätzen Backstein als Baumaterial zu verwenden, griff
dieser Baustoff auf verschiedene Stilrichtungen und Bauarten über. Eva
Börsch-Supan nennt neben dem weiterhin existenten Klassizismus im wesentlichen
drei sich aus den Ansätzen der Schinkelschule entwickelnde Stilarten, den
italienischen Villenstil, den Rundbogenstil, wobei hier zwischen profanem und
kirchlichem Rundbogenstil unterschieden wird, und die englische
Gotik. Bereits 1828 versuchte Schinkel Ziegelmaterial in seinen
Entwürfen für die Vorstadtkirchen zu verwenden. Seine Vorstadtkirche in
Kreuzform ist ein hoch aufragender Zentralbau, der durch die umlaufenden
Ziegelbänder horizontal gegliedert wird. Auffällig ist das zweite Band,
welches nach Klinkott aus Terrakotta bestehen sollte und die vier Kreuzarme
stärker an den oktogonalen Kern bindet.
Über dem oktogonalen
Bau erhebt sich noch einmal ein Rundbau, der durch das umlaufende Fensterband
geprägt ist. Der Bau schließt mit einer Attika und einem flach geneigten
Dach. Die Fassade ist dem Baumaterial angepaßt glatt gestaltet. Sie besitzt
nur wenige Schmuckelemente aus Terrakotta. Sie finden wir beispielsweise an
Tür- und Fensterrahmungen. Die in diesem Entwurf erkennbare und durch die
technischen Möglichkeiten teilweise bedingte klare Struktur der Fassade
wandelt sich im Laufe des 19.Jahrhunderts zu einer Fassadenauffassung, die
durch stärkere palstische Gestaltung geprägt ist. Ein Beispiel ist die von
August Orth entworfene und 1866-73 ausgeführte Zionskirche. Der Grundriß ist
mit seiner einfachen Durchdringung von Lang- und Querhaus klar gegliedert. Der
Turm steht vor dem Eingangsjoch und verlängert damit das Langhaus. An das
Querschiff schließt sich ein Umgangschor an. Der gesamte untere Bau hat die
gleiche Bauhöhe und ist in der fassade einheitlich gestaltet. Die Mauern
bestehen nicht mehr allein aus Backstein sondern sind aus sechs Lagen Backstein
und einer Lage Werkstein. Der untere Teil der Fassade, der sich bis zum Gesims
unterhalb der hohen Rundbogenfenster erstreckt, ist glatt gemauert und nur von
kleinen Rundbogenfenstern oder Eingangstüren, die gleichfalls das
Rundbogenelement besitzen, unterbrochen. In der oberen Fassadenzone befinden
sich die hohen Rundbogenfenster, die durch einen Akanthusbalttfries bekrönt
sind. Über den Rundbogenfenstern befindet sich eine um den ganzen Baukörper
laufende Zwerggalerie. Die aus Sandstein gearbeiteten Säulen bilden mit dem
Ziegelstein des restlichen Baues einen farblichen Kontrast, der zur dekorativen
Gestaltung der gesamten Kirche beträgt. Der obere oktogonale Teil des
Kirchenturmes wiederholt nochmals den Fassadenaufbau des Hauptbaues. Über
einer Zone mit kleineren Rundbogenfenstern folgen die Zone mit den großen
Fenstern, darüber die Zwerggalerie und das Krangesims.
Während das Baumaterial Backstein nur zögernd für die Monumentalarchitektur
benutzt wurde und im gesamten 19.Jahrhundert immer wieder Gegenstand von
Diskussionen um die Verwendbarkeit des Baumaterials für Monumentalbauten war,
fand es in der Frage der Zweckbauten fast ungeteilte Zustimmung. Durch die
rasende Entwicklung von Industrie und Handel, verbunden mit der dadurch
resultierenden flächenmäßigen Expansion der Städte und dem großen Bedarf
an Arbeitskräften machten diese in hohem Maße nötig. Die Architektur war
sehr einfach und wies zum großen Teil kaum schmückende Elemente auf.
Backstein wurde in Massen zur Errichtung von Mietshäusern eingesetzt, jedoch
bei diesen Bauten in den meisten Fällen verputzt. Unverputzter Backstein kam
bei Werkhallen, Schornsteinen, Wassertürmen oder Gasometern zur Anwendung und
wurde, läßt man die günstigen Herstellungskosten als primären Grund
beiseite, auch als ein Element zur Ästhetisierung der Gebäude oder
Fabrikanlagen verstanden (besonders gut zeigt es sich an der Gestaltung der
Schornsteine). Ein
weiteres großes Verwendungsgebiet erschloß sich mit dem Ausbau des
Eisenbahnnetzes. Die Bahnhöfe trugen jedoch einen mehr repräsentativeren
Charakter und waren wesentlich aufwendiger gestaltet. Hier kam der in der
Industriearchitektur kaum verwendete Baustoff Terrakotta als gestalterische
Möglichkeit zum tragen. Industriearchitektur kann dagegen dem Ziegelrohbau
zugeordnet werden.
1846b baute Borsig ein zweites Eisenwalzwerk in Berlin, welches sich in Moabit
befand. Die Bestrebung Borsig's war es, alle Abschnitte des Produktionsablaufes
unter einem Dach zu vereinigen. Bedingt durch diese Vorgabe entstand eine über
200 Meter lange Halle. die von dem Architekten Johann Heinrich Strack entworfen
wurde. Der Bau zeichnet sich durch eine klare Strukturierung unter Verzicht auf
Verzierungen aus. Ein sehr hoher fensterloser Unterbau ist glatt mit Ziegeln
gemauert und nicht verputzt. An den Ecken des Komplexes befinden sich Türme,
die in der unteren Hälfte Segmentbogenfenster besitzen. Der Unterbau wird
durch ein Gurtband abgeschlossen. Die Beleuchtung der Halle wird durch eine
darüberliegende Fensterzone realisiert. Die Fenster sind in Fünfergruppen
angeordnet und durch eine Mauer voneinander getrennt. Dadurch entsteht eine
Rhythmisierung der Fassade im oberen Bereich. Die Türme werden ,,...
durch dreifach gekuppelte Fenster zur Mitte
gestaffelt...`` und heben diese dadurch heraus. Der
gesamte Werkhallenbau ist horizontal betont. Den architektonischen Kontrapunkt
bildet der hoch aufragende Schornstein. Die durch seine Form bedingte
dynamische Aufwärtsbewegung wird durch das spiralförmige Band aus hellerem
Backstein noch unterstrichen.
Ab 1850 kristallisieren sich drei Tendenzen zur Findung eines neuen eigenen
Stils heraus. Die erste Tendenz betont, daß man sich allein auf einen Stil
beschränken sollte. Man plädiert hier für die Gotik und beruft sich dabei
unter anderem auf das von Schinkel eingeführte Argument, daß die Gotik in
ihrer eigentlichen Zeit, dem Mittelalter, nicht voll zur Entwicklung gelangen
konnte. Die Gotik sollte jedoch für die modernen Bedürfnisse modifiziert
werden. Der zweite Argumentationsstrang richtet sich auf die Entwicklung eines
neuen Stils aus der Synthese mehrerer historischer Stile heraus. Die dritte
These geht vom Material, insbesondere dem in dieser Zeit neuen Baumaterial
Eisen, aus und verficht die entwicklung eines Stiles aus dem Baumaterial
heraus.
Seit seiner Etablierung im 19.Jahrhundert ist Backstein immer wieder für verschiedenste Bauten zur Anwendung gebracht worden. Im Bereich der Wohnarchitektur wurde er etwa ab 1875 in nach außen sichtbarer Form eingesetzt. Aus den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts finden sich zahlreiche Wohnbauten, die wieder dem Backsteinrohbau zugeordnet werden können. Aus dieser Zeit sind außerdem Kirchenbauten bekannt, die allein aus Backstein errichtet wurde. Die ästhetischen Qualitäten des Backsteins machen ihn auch heute noch neben verschiedenen Baustoffen wie Beton, Glas oder Stahl als Baumaterial interessant.
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